Die Zeit, wenn im Herbst die Tage kürzer und dunkler werden, habe ich in anderen Jahren immer gerne für einen Besuch in einem der vielen Museen im Gießener Land genutzt. Da die meisten Museen wegen der Corona-Pandemie geschlossen sind, bin ich durch die neuaufgelegte Broschüre „Museen im Gießener Land“ mit den Augen durch die vielfältige Museumslandschaft in unserem Landkreis geschlendert.
Schön finde ich, dass viele historische Gebäude als Museum eine neue Aufgabe bekommen haben. Darunter sind ehemalige Rathäuser, wie das Heimatmuseum Obbornhofen aus dem 16 Jahrhundert und ehemalige Schulgebäude, wie das Heimatmuseum Rabenau. Das Heimatmuseum Heuchelheim ist im früheren Bahnhof Kinzenbach untergebracht, das Licher Heimatmuseum im schönsten Fachwerkhaus von Lich, dem großen Textorhaus.
Und das kleinste Museum im Landkreis hat den schönsten „Vorgarten“: das Museum im Uhrenturm im Gail´schen Park in Biebertal.
Die Arbeits-, Lebens- und Wohnverhältnisse der bäuerlichen, vorindustriellen Vergangenheit sind ein zentrales Thema der Heimatmuseen. Alte Gerätschaften aus der Landwirtschaft zeigen etwa die Getreideverarbeitung oder die Verarbeitung von Wolle und Leinen. Im Haus der Zünfte Grünberg wird auf die Geschichte des Handwerks verwiesen. Mit der Industrie- und Kulturgeschichte beschäftigt sich das geräumige Holz- und Technikmuseum in Wettenberg. Andere Themen sind der Bergbau und die Eisenverarbeitung in unserer Gegend.
Mich selber interessieren besonders alten Trachten und das, was sie als kultur- und sozialgeschichtliche Zeugnisse über das Leben von Frauen erzählen. Es gab strenge Bekleidungsvorschriften für verheiratete und für unverheiratete Frauen, für den Alltag und für Festtage im Jahreslauf.
Eine schöne Trachtensammlung besitzt das Hüttenberger Heimatmuseum in Linden-Leihgestern, aber auch viele andere Heimatmuseen zeigen Trachten aus unserer Gegend, meist Hüttenberger Tracht und die evangelische und katholische Marburger Tracht.
Auf dem Trachtenatlas des hessischen Landes-Trachtenverbands habe ich etwas über den Zusammenhang mit dem Tragen der Tracht und der Erwerbstätigkeit in der Stadt gelesen: Die Männer, die zur Arbeit nach Gießen gingen, legten zuerst die Tracht ab. Frauen, die in Heimarbeit für Zigarrenfabriken arbeiten konnten, trugen die Tracht länger. Auf der Seite
Die im Landkreis im 19 und 20 Jahrhundert blühende Zigarrenfabrikation hat natürlich auch Spuren in den Museen hinterlassen.
Wer sich für dieses Kapitel der Wirtschaftsgeschichte im Landkreis interessiert, wird im Heimatmuseum von Heuchelheim fündig, wo die Zigarrenfabrik Rinn & Cloos seinen Hauptsitz hatte. Im ganzen Landkreis gab es von Rinn & Cloos und anderen Firmen Produktionsstätten mit Fabrikarbeit und weiblicher Heimarbeit. In fast jedem Heimatmuseum sind daher Zeugnisse aus der Zigarrenfabrikation zu finden.
Liebhaber der bäuerlichen oder kleinbürgerliche Wohnkultur werden in vielen Museen fündig: Liebevoll ausgestattete Bauernstuben, Schlafräume und alte Küchen finden sich etwa in dem historisch eingerichteten Fachwerkbau des Heimatmuseums in Fernwald-Annerod oder im Textorhaus Lich.
Als Gesamtanlage ist das Bauernhaus Hof Haina unbedingt einen Besuch wert. Die Wohnwelt einer dörflichen Kleinfamilie von 1910 zeigt das Heimatmuseum Hirtenhaus in Reiskirchen und in die Zeit von Elvis und Petticoat entführt das 50er Jahre-Museum in Allendorf/Lumda.
Manche Museen präsentieren besondere lokale Produkte, wie das Dreihäuser Steinzeug im Heimatmuseum Allendorf/Lumda oder die Töpferwaren der Familie Kessler im Wiesecker Heimatmuseum. Von der Bedeutung der Schafwirtschaft für die Region vermittelt der Erlebnisraum Schaf und Natur in Hungen einen Eindruck. Das Spenglerei- und Ofenmuseum Laubach der Firma Alban und das Zentralheizungsmuseum von Buderus in Lollar erzählen über ihre Produkte und Produktion.
Mit der eigenen Stadt- oder Ortsgeschichte beschäftigen sich das Heimatmuseum Heuchelheim mit der Ausstellung“ Vom Bauerndorf zum Industrieort“, das Museum Fridericianum zur Stadtgeschichte von Laubach oder das Textormuseum mit Exponaten zur Licher Stadtgeschichte.
Wer etwas weiter in die Vergangenheit reisen will und sich für Kelten, Römer und Germanen interessiert, für den sind Besuche der Antikensammlung der Justus-Liebig-Universität im Wallenfels`schen Haus und im Archäologie-Museum Keltenkeller am Dünsberg Pflichtprogramm.
Das Limesinformationszentrum Hof Grass in Hungen informiert über das UNESCO Weltkulturerbe mit einem Schwerpunkt auf die römischen Wasserversorgung.
Schon mehrfach war ich im Puppenstubenmuseum in Laubach, ein Pflichtprogramm für jemanden, der sich selber für Puppenmöbel als kulturhistorische Zeugnisse interessiert 😉
Mein Fazit: Eine schöne Broschüre, die Lust auf einen Besuch in einem der über 45 Museen im Gießener Land macht! Kurzbeschreibungen, wichtige Infos und anschauliche Fotos geben einen guten Eindruck davon, was einen vor Ort erwartet. Sobald es wieder möglich ist, werde ich eine echte Tour durch die Museen des Landkreises machen!
*) Die Broschüre, „entdecken & erleben – Museen im GießenerLand“ können Sie hier herunterladen (PDF). Sie erhalten sie auch bei den aufgeführten Heimatmuseen des Verbundes, in den Rathäusern im Landkreis Gießen, bei der Kreisverwaltung und bei der Tourist-Information Gießen.